Warum weniger ambulante OP-Tage mehr sind

Wir haben zusammen gerechnet mehr als 20 Jahre Erfahrung mit ambulanten Operationen …

…und was uns immer wieder begegnet, ist der Wunsch von Chirurgen nach mehr OP-Tagen, an denen in Narkose operiert werden kann.

Warum dieser Wunsch häufig kontrapoduktiv ist …

Mehr OP-Tage gleich mehr operative Eingriffe?

Die Vorstellung vieler Operateure ist:

Wenn ich die Zahl der OP-Tage verdopple, kann ich mehr Patienten operativ versorgen.

Ein weiterer Benefit, den sich viele niedergelassene Kollegen davon versprechen:

Je mehr OP-Termine ich den Patienten anbieten kann, desto mehr entscheiden sich für die Operation in meiner Praxis, weil die Wartezeit kürzer ist.

Bei manchen Operateuren hatten wir in der Vergangenheit den Eindruck, dass sie am liebsten ihren eigenen Anästhesisten im Wandschrank hielten, …

…um diesen an 5 Tagen die Woche bei Bedarf beliebig hervorzaubern zu können.

Damit idealerweise jeder Patient spontan operiert werden kann, der sich kurzerhand für eine Operation entscheidet.

Was ist das Problem?

Wenn es die Nachfrage seitens der Patienten nach operativen Eingriffen gibt, warum sollten wir als Anästhesisten Nein zu mehr OP-Tagen sagen?

Leider ist die Sache nicht so einfach.

Unabhängig davon, dass es das Modell „Anästhesist wartet geduldig im Wandschrank auf Arbeit“ heute nicht mehr gibt – wenn es das denn jemals gegeben haben sollte …

Die Vorstellung „mehr OP-Tage gleich mehr operative Patienten“ ist in den meisten Fällen nicht realistisch.

Aus folgendem Grund:

Die Auslastung pro OP-Tag sinkt

Nehmen wir mal an, eine operative Praxis hat eine monatliche Auslastung von 15 Patienten, die sich auf zwei OP-Tage verteilen.

Nun fragen Patienten in der Sprechstunde zunehmend nach operativen Leistungen in Narkose.

Daher möchte die chirurgische Praxis vier OP-Tage im Monat anbieten. Auf den ersten Blick verständlich!

In gewissem Umfang geht der Plan sogar auf und statt 15 lassen sich 20 Patienten im nächsten Monat operieren.

Allerdings verteilen sich nun 20 Patienten auf vier OP-Tage, sprich: es stehen jetzt durchschnittlich nur noch 5 Patienten auf dem OP-Plan.

Im Modell mit zwei OP-Tagen pro Monat waren es noch 7-8 …

Das kritische Minimum für OP-Tage

Das Problem ist: erst ab einer gewissen „Mindestauslastung“ rechnet sich ein OP-Tag überhaupt.

Denn dem zu erwartenden Umsatz für die Eingriffe stehen ja nicht unerhebliche Kosten gegenüber – insbesondere für qualifiziertes Fachpersonal.

Um in unserem Beispiel zu bleiben:

Um auf die gewohnte Auslastung von rund 7,5 Patienten pro OP-Tag zu kommen, wäre bei einer Verdopplung der OP-Tage auch eine Verdopplung der Patientenzahlen notwendig.

Statt 15 müssten nun 30 Eingriffe durchgeführt werden.

Wie gesagt:

In der Theorie eine schöne Vorstellung und grundsätzlich machbar

Aber in der Praxis eher unrealistisch, denn es muss für mehr Eingriffe auch mehr „Akquise“ gemacht werden.

Dafür fehlen aber zwei Tage im Monat, an denen keine oder nur eine zeitlich eingeschränkte Sprechstunde angeboten werden kann.

Schließlich wird nun an vier Tagen operiert statt an zwei wie vorher.

Es sei denn, in der chirurgischen Praxis werden mehr Behandler tätig, welche die Sprechstunden übernehmen, wenn die Kollegen im OP stehen.

Faktor Wartezeit

Kommen wir noch einmal auf den Punkt:

„Mehr Wahlmöglichkeit der Patienten führt zu einer höheren Zufriedenheit und damit mehr OP-Terminen“

Stimmt im Grundsatz, denn natürlich spielt die Wartezeit eine wichtige Rolle.

Die Wartezeit auf einen OP-Termin sollte nicht zu lang sein. Aber auch nicht zu kurz!

Wenn Operateure den Eindruck vermitteln, dass sie bevorzugt „Laufkundschaft“ ad hoc operieren, trägt das nicht gerade zur Vertrauensbildung und einer guten Reputation der Praxis bei.

Unser Video zum Thema:

OP-Tage

Warum weniger mehr ist

Nicht nur wir Anästhesisten sind an einer gewissen Mindestauslastung der OP-Tage interessiert.

Auch chirurgische Praxen sollten lieber zwei Mal im Monat 10 Patienten pro OP-Tag versorgen als vier Mal im Monat 5 Patienten.

Dafür sprechen die folgenden Argumente:

Bessere Nutzung personeller Ressourcen

Die Personalkosten sind fix und qualifizierte, festangestellte Mitarbeiter werden in aller Regel für einen ganzen Arbeitstag bezahlt.

Deshalb ist es ein Problem, wenn im OP schon mittags um Zwölf Feierabend ist, die Mitarbeiter aber – verständlicherweise – bis 16 Uhr bezahlt werden wollen.

Es braucht daher einen gewissen Mindestumsatz, damit sich ein OP-Tag überhaupt rechnet.

Bessere Abläufe im OP-Team durch mehr Routine

Unserer Erfahrung nach führen mehr Patienten auf dem OP-Plan zu einem deutlich besseren „flow“ im OP.

Weil alle Beteiligten mehr oder weniger gezwungen sind, strukturiert und effizient zu arbeiten.

Bekanntlich dehnt sich Arbeit gerne aus.

Sprich: gibt es wenig(er) zu tun, gehen die Mitarbeiter den OP-Betrieb deutlich „entspannter“ an.

OP-Tage mit wenigen Patienten können dadurch annähernd so lange dauern wie solche mit viel Programm.

Aus menschlicher Sicht nachvollziehbar, unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten jedoch eher kontraproduktiv.

Was tun bei höherer Nachfrage?

In nahezu jeder Praxis gibt es Phasen, in denen die Patienten einem gefühlt „die Tür einrennen“.

Wartelisten für operative Termine sind in solchen Zeiten häufig die Folge.

Bei langen Wartelisten sollten jedoch lieber mit der Anästhesie-Praxis abgesprochene Zusatztermine angeboten werden, als sofort das Kontingent der OP-Tage dauerhaft zu erhöhen.

Denn, wie bereits gesagt: mehr OP-Termine führen nicht automatisch zu mehr Eingriffen.