Braucht man in der Praxis ein Leitbild?
Wir meinen: nein.
Was allerdings jedes Unternehmen haben sollte, und damit auch jede Arztpraxis, erläutern wir in diesem Artikel.
Der Leitbild-Evergreen (08/15)
Wer kennt es nicht?
Das Leitbild-Klischee schlechthin: Der Mensch im Mittelpunkt!
Man möchte fragen: ja, was denn sonst?
Wer sollte insbesondere in der Medizin sonst im Mittelpunkt stehen? Wenn nicht der Patient und die Mitarbeiter, welche die Patienten versorgen?
Das Geld ist es hoffentlich nicht …was man allerdings manchmal vermuten könnte, wenn man sich die Auswirkungen des DRG-Systems anguckt.
Banalitäten im Praxis Leitbild
Ein Leitbild, in dem Selbstverständlichkeiten wie …
“Unser Umgang miteinander ist respektvoll“
„Wir unterstützen uns gegenseitig und arbeiten Hand in Hand zum Wohle unserer Patienten.“
…geregelt sind, braucht es aus unserer Sicht nicht unbedingt.
Was man braucht sind Prinzipien
Prinzipien, die den medizinischen, organisatorischen und unternehmerischen Entscheidungen zugrunde liegen.
Prinzipien und Werte sollten keine Sprüche an der Wand oder auf der Website sein, sondern gelebte Praxis.
Deshalb wollen wir im folgenden einmal kurz unsere 10 wichtigsten Prinzipien der Unternehmensführung vorstellen:
#1 Unsere Leistung darf nie schlechter als gut sein
Klar, man kann nicht jeden Tag eine herausragende Leistung abliefern. Aber zumindest gut sollte die Qualität der Arbeit sein.
Das sind wir unseren Patienten schuldig.
SOPs und Checklisten sind ein wesentlicher Teil unseres Qualitätsmanagementsystems und sorgen dafür, dass auch an „gebrauchten“ Tagen ordentlich gearbeitet wird.
#2 Wir suchen nach Lösungen, nicht nach Problemen
Es macht selbstverständlich keinen Sinn, tatsächlich existierende Probleme zu ignorieren.
Es ist andersherum jedoch sehr ermüdend, wenn Leute aus jeder Mücke einen Elefanten machen.
Und immer eine kreative Erklärung dafür haben, warum etwas angeblich nicht geht.
Wir sind eher Chancen orientiert und versuchen daher möglich zu machen, was mit vertretbarem Aufwand möglich ist.
#3 Was nicht geschrieben wurde, wurde nie gesagt
Ab einer gewissen Teamgröße nimmt logischerweise die Zahl der Gespräche untereinander zu.
Es werden Sorgen besprochen, Wünsche geäußert, Zahlen und Fakten genannt.
Leider stößt man dabei schnell an die Limitationen des menschlichen Gehirns, sprich:
Man kann im Alltag zwar einiges bereden, sich aber nur einen kleinen Teil davon (länger) merken.
Aus diesem Grund gilt bei uns, dass alle relevanten Vorgänge verschriftlicht sein müssen.
Einen Urlaubsantrag mündlich auf Zuruf im OP?
Gibt es bei uns nicht mehr.
Zumindest ein Zweizeiler per Mail macht das Anliegen auch über einen längeren Zeitraum nachvollziehbar.
#4 Wir lieben Qualität und verwenden aus diesem Grund nur hochwertige Materialien
Es macht einfach keinen Spaß mit billigem Material zu arbeiten.
Obendrein kommt einem die Sparversion am Ende häufig teurer zu stehen.
Wir hatten versuchsweise mal ein paar „no name“-Larynxmasken im Programm. Diese waren pro Stück ein Euro günstiger als das Markenprodukt.
Die Dinger ließen sich allerdings deutlich schlechter platzieren und produzierten mehr Leckagen.
Das Ende vom Lied: entnervt haben wir einige Kartons davon weggeworfen und sind zurückgekehrt zu unserem gewohnten Modell …
Qualität kostet eben.
Unser YouTube-Video zum Thema:
#5 Wir machen keine Narkose allein des Geldes wegen
Ja, wir sind ein Unternehmen.
Heißt: wir müssen einen bestimmten Mindestumsatz erwirtschaften, um unsere Kosten zu decken.
Und natürlich muss am Ende auch ein gewisser Gewinn übrig bleiben.
Sicherheit steht trotzdem immer an erster Stelle!
Wir drücken beispielsweise kein Auge zu, wenn Patienten sich nicht an die Nüchternheitsgrenzen halten und „nur ein bisschen Milchkaffe“ getrunken haben.
Die Narkose findet dann eben nicht statt, auch wenn das weniger Einnahmen am OP-Tag zur Folge hat.
#6 Wir arbeiten nicht für und nicht mit Unsympathen
Es gibt leider Leute, mit denen einfach nicht gut Kirschen essen ist, wie man früher sagte.
Schwierige Charaktere, häufig solche mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, machen eine kooperative Zusammenarbeit auf Dauer in der Regel unmöglich.
Sie sorgen zuverlässig für Probleme und schlechte Stimmung, was sich wiederum negativ auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter und uns auswirkt.
#7 Wir sorgen dafür, dass unsere Mitarbeiter zufrieden sind – dann sind es auch unsere Operateure und Patienten
Das erklärt sich eigentlich von selbst, oder?
#8 Wir wollen niemanden durch Unachtsamkeit verlieren, weder Mitarbeiter noch Kunden
Sorgen und Probleme sind nicht immer sofort als solche erkennbar bzw. werden nicht von jedem ohne Umschweife offen kommuniziert.
Daher ist es wichtig, immer ein offenes Ohr für Mitarbeiter und Operateure zu haben. Und auch zwischen den Zeilen lesen zu können.
Wichtig ist einfach, dass man regelmäßig miteinander spricht und die Bedürfnisse von Mitarbeitern und Kooperationspartnern nicht aus dem Blick verliert.
#9 Wir arbeiten um zu leben, nicht umgekehrt
Ja, wir arbeiten viel und wir arbeiten gerne … aber es gibt noch ein Leben neben der Praxis.
Wir definieren uns nicht allein über unsere Praxis oder die Tatsache, dass wir uns vor langer Zeit dazu entschieden haben, als Ärzte unseren Lebensunterhalt zu verdienen.
Der letzte und wichtigste Punkt:
#10 Bei jeder Entscheidung fragen wir uns: entspricht das unseren Prinzipien?
Was nutzen all die schönen Vorsätze, wenn wir uns nicht daran halten?
Wir nutzen unsere Prinzipien, um gute Entscheidungen zu treffen.
Denn eine Entscheidung, sei es auf organisatorischer oder personeller Ebene, die mindestens eines der oben genannten Prinzipien verletzt, ist keine gute Entscheidung.