Warum es ohne SOPs und Checklisten nicht (mehr) geht

Unser Thema sind SOPs sowie Checklisten und warum diese heute in der Medizin unbedingt Standard sein sollten.

SOP steht für Standard Operating Procedures (Standardprozeduren) – gemeint sind schriftliche Verfahrensanweisungen.

Woher kommen SOPs und Checklisten?

In der Fliegerei sind Checklisten kaum wegzudenken.

Sie sind schlicht und einfach der Garant für ein extrem hohes Sicherheitslevel, das Unfälle in der Luftfahrt zur Rarität werden lässt.

Egal wie erfahren ein Flugkapitän sein mag: auch beim 1.000-sten Flug in der 747 von Frankfurt nach New York muss er vor dem Start diverse Checklisten durchgehen.

Standardprozeduren (SOPs) wiederum sorgen bei der Herstellung von Waren und Dienstleistungen für Effizienz und personenunabhängige Qualität.

Ohne SOPs wären beispielsweise Franchise-Modelle zum Scheitern verurteilt:

Schmeckten die Hamburger in jeder Filiale anders, hätten McDonalds & Co sicher ein Problem.

Auch Hotels haben garantiert kein Interesse daran, dass das Frühstücksbuffet jeden Morgen völlig anders aussieht – abhängig davon, welcher Mitarbeiter gerade dafür eingeteilt ist.

Der Unterschied zwischen SOPs und Checklisten

In der Regel bedingen sich Checklisten und Standardprozeduren (SOP) gegenseitig, sind aber nicht dasselbe.

SOPs beschreiben Abläufe und Zuständigkeiten, sprich: Was soll wann wie von wem gemacht werden?

Checklisten stellen sicher, dass alles vorhanden und geprüft ist, was für die Durchführung der SOP notwendig ist.

In diesem Sinne baut die Standardprozedur auf der Checkliste auf.

Beispiel: Vollnarkose in der MKG-Chirurgie

Bevor wir beispielsweise in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) eine Narkose durchführen, gehen unsere Assistenten morgens als erstes die sogenannte Check-In-Liste durch.

In dieser werden chronologisch alle Gerätschaften, Materialien und Medikamente abgefragt, die Voraussetzung zur Durchführung einer sicheren Narkose sind:

  • Ist das Anästhesiegerät geprüft und funktionstüchtig?
  • Ist genug Sauerstoff vorhanden?
  • Befindet sich der Ambu-Beutel an seinem Platz (für den Fall, dass das Anästhesiegerät mitten im Betrieb ausfällt)?
  • Befindet sich der AED an seinem Platz und ist funktionstüchtig?
  • Befindet sich eine Ampulle Succinylcholin griffbereit im OP?
  • Usw.

Erst wenn alle Punkte auf der Checkliste erfolgreich abgehakt sind, kann sich das Anästhesie-Team an die Ausführung der MKG-SOP begeben.

Darin ist unter anderem geregelt, welcher Tubus für welche Art von Eingriff zum Einsatz kommt, welche Medikamente gegeben werden etc.

Vorteile von Checklisten

Checklisten bieten einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: sie nehmen einem das Denken ab.

Denn unser Denken ist leider ziemlich fehleranfällig. Weil es durch innere und äußere Einflüsse angreifbar ist.

Kopfschmerzen, Schlafmangel, eine Erkältung, Streit im Familienkreis …es gibt unzählige Gründe, warum Menschen an gewissen Tagen unkonzentriert bzw. nicht „voll bei der Sache“ sind.

In manchen Berufen mag das unproblematisch sein.

Nicht aber in sicherheitsrelevanten Bereichen mit hoher Personenverantwortung wie in der Anästhesie.

Checklisten sorgen hier dafür, dass unsere Mitarbeiter ihren Job immer gut und zuverlässig machen, selbst wenn sie mal einen „schlechten“ Tag haben.

Das garantiert jederzeit eine Mindestqualität und gibt den Mitarbeitern Sicherheit, keine groben Fehler begehen zu können – solange sie sich an die Checklisten halten!

(Mit)Denken erwünscht

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass wir unsere Mitarbeiter dazu animieren, vor Dienstbeginn das Denken einzustellen.

Ganz im Gegenteil.

Wir möchten nur nicht, dass wertvolle geistige Ressourcen für sinnlose Fragen verschwendet werden wie „habe ich wirklich alles …?“ oder „wie war das noch mal an diesem Arbeitsplatz, ich war schon länger nicht mehr hier …?

Unser Video zum Thema:

SOP und Checklisten

Vorteile von SOPs

Klare, verschriftlichte Standardprozeduren sorgen zum einen für Effizienz und bieten damit wirtschaftliche Vorteile.

Denn Zügige Abläufe im OP-Betrieb sind nur dann möglich, wenn alle Beteiligten genau wissen, was an welcher Stelle von wem zu tun ist.

Zum anderen garantieren SOPs eine weitestgehend personenunabhängige Qualität in der Patientenversorgung.

Dies ist nicht nur für die Patienten, sondern auch für unsere Kooperationspartner wichtig.

Denn kein Operateur ist erpicht darauf, wechselnden Anästhesisten immer wieder neu zu erklären, wie der Hase in seinem OP laufen soll.

Klare Standards und Strukturen geben den Mitarbeitern Sicherheit und entspannen letztlich das ganze Team.

Denn jeder weiß, was von ihm oder ihr verlangt wird. Und welchen Standard man von den Kollegen erwarten darf.

Potenzielle Nachteile von SOPs & Checklisten

Kein System der Welt hat nur Vorteile. So ehrlich muss man sein.

Der Vorteil von SOPs verkehrt sich dann ins Gegenteil, wenn es zu viele SOPs gibt, diese zu kleinteilig werden oder sich schlimmstenfalls sogar in Teilen widersprechen.

Das Ganze darf nicht einer Regelungswut ausarten, die jede Eventualität mit einer eigenen Standardprozedur abzubilden versucht.

SOPs dürfen auch nicht dazu führen, dass die „Menschlichkeit“ bei der Behandlung von Patienten auf der Strecke bleibt.

Da kein Patient dem anderen gleicht, muss ein gewisses Maß an Individualität immer erhalten bleiben.

Nicht zuletzt sollten auch die Mitarbeiter niemals das Gefühl bekommen, wie „Roboter“ agieren zu müssen.

SOPs erfordern selbstverständlich immer auch etwas Arbeitsaufwand.

Sie müssen erst einmal konzipiert und geschrieben werden. Im weiteren Verlauf dann regelmäßig geprüft und bedarfsweise aktualisiert werden.

Bei uns sind diese Vorgänge wesentlicher Bestandteil unseres QM-Systems.

Und der letzte, nicht zu unterschätzende Punkt: die Einhaltung von SOPs muss in der Praxis immer wieder überprüft werden.

Sonst entsteht schnell der Eindruck: Papier ist geduldig …

Das Fazit

Ohne SOPs und Checklisten geht es in der Medizin nicht mehr.

Mit anderen Worten: Standards sollten heutzutage Standard sein!

Unserer Erfahrung nach sind Praxen und Kliniken, die auf klare Standards setzen, gut strukturiert und organsiert.

Was immer auch den Patienten zugute kommt durch kurze Wartezeiten, verlässliche Aussagen und einem professionellen Umgang von der Begrüßung bis zur Verabschiedung.